GEWIßHEIT

Der Himmel ist blau,

Die Wellen schlagen im Meer,

Kommen und gehen. 

So wie der Fluss, zeigen alle Phänomene ständig, dass es unzählige innere Kräfte gibt, die in der Stille fließen und die vom Verstand nicht zu zähmen sind. So perfekt unser Plan auch sein mag und so sehr wir auch glauben mögen, dass der Mensch im Grunde böse und egoistisch sei, die Intelligenz, die sich selbst Ziele setzt, wird immer ihre Grenzen haben. Das ist immer schon so gewesen und das wird immer so sein. Das zeigen uns ständig die Berge, der Himmel, das Feuer, das Meer und seine Wellen, und es spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie wir die Welt mit unseren eigenen Augen betrachten. Ist es schlecht oder gut, ist es Schwäche oder Stärke, ist es für mich von Vorteil oder nicht? Absolut alles offenbart in allen Richtungen in jedem Augenblick, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen oder nicht. Ob wir in der Lage sind, das Leben spontan und liebevoll zu leben, oder ob wir im Gegenteil, das Leben leben ohne uns der Tatsache bewusst zu sein, dass das, was wir im Außen sehen, in Wirklichkeit immer auch Inneren geschieht. Andererseits, genau aus diesem Grund können wir auch beruhigt sein. Niemand und nichts wird jemals die Wahrheit dieses Augenblicks je wirklich verschleiern können. Egal wie überzeugend die Lüge auch sein mag, egal wie sehr man behauptet, dass die Wahrheit nur eine Frage der Perspektive ist, egal wie überwältigend die autoritäre Offensive auch sein mag und egal wie sehr wir glauben, in ein dystopisches Projekt ohne Ausweg verwickelt zu sein. 

Ja, viele Menschen sind sich bereits dessen bewusst, dass die in unserem Inneren verankerten Erfahrungen und Gefühle immer da sein werden und sie unsere Wahrnehmung der Außenwelt beeinflussen. Dennoch verlieren wir leicht den Überblick und verirren uns erneut. Überzeugt davon, dass es in Ordnung sei, im Namen des Guten Böses zu tun, tun wir Böses und sind dann überrascht, dass das Gute nie auch zu uns kommt. Mit dem Guten meine ich den Frieden und die Zufriedenheit, die das Gleichgewicht mit sich bringt. Oder wie leicht verirren wir uns, wenn wir im Namen von morgen diesen Moment opfern und aus den Augen verlieren, dass morgen immer eine fiktive Zeit sein wird und dass das Hier und Jetzt der einzige Ort und Moment ist, in dem das Leben sich wirklich ereignet. Oder wie leicht verlieren wir uns, wenn wir aufgrund unserer Überzeugung, das richtige Verständnis erreicht zu haben, über andere urteilen oder sie sogar beschimpfen, ohne zu erkennen, dass der andere aus einer anderen Perspektive ohne jede Trennung auch ein Teil von uns selbst ist. 

Mit dieser Frage und der Klarheit des Weges, die wir in unserer Praxis so sehr suchen, beschäftigt sich der folgende Koan: 

Wenn Meister Fuke aus dem Bezirk Chin eine Stadt betrat, läutete er gewöhnlich eine Glocke und sagte: 

Wenn der Geist klar ist, lasse ich ihn klar sein. Wenn der Geist getrübt ist, lasse ich ihn getrübt sein. Wenn der Wind aus allen Richtungen weht, aus vier oder acht Richtungen, lasse ich ihn zu einem Wirbelwind werden. Und wenn der Raum erscheint, werde ich ihn immer wieder schlagen.

Eines Tages wies Meister Rinzai einen Mönch an, Meister Fuke zu packen und ihm die folgende Frage zu stellen, ohne dass er sich bewegen konnte: 

– Wenn weder ein klarer Geist noch ein verstellter Geist erscheint, was tust du dann?

Meister Fuke befreite sich aus dem Griff des Mönchs und antwortete:

-Morgen findet im Dai-Hi-Tempel ein formelles Abendessen statt. 

Der Mönch kehrte zu Meister Rinzai zurück und gab ihm die erhaltene Antwort. 

Meister Rinzai sagte:

Ich wusste schon immer, dass dies kein gewöhnlicher Mönch ist (1).  

Angesichts der immer noch latenten Frage: Wo verirren wir uns? werde ich versuchen noch etwas klarer zu sein. Dort wo, genau wie im Innen und Außen, alles mit allem verwoben und zusammenhängt kann niemand wirklich sagen, was die Realität ist. Wir verwenden Worte, um die Realität zu beschreiben, aber die Realität kann nicht durch Worte begrenzt werden. Mehr noch, sogar die Täuschung ist Teil der Realität, so wie die Wellen Teil des Meeres sind. Wir sprechen einerseits von Wellen und andererseits vom Meer, obwohl es in Wirklichkeit keine einzige Welle ohne das Meer gibt, genauso wie es kein Meer ohne Wellen gibt. Wo verirren wir uns? Wir könnten behaupten, dass es im unbewussten Verhalten ist, aber genauso könnte es sein dass es im Glaube ist, dass es möglich ist das eigene Karma durch die Willenskraft oder die Intelligenz zu verändern. Wie dem auch sei, gleichzeitig haben wir aber auch allen Grund dankbar sein. Es gibt innewohnende Kräfte der Natur, die in der Stille fließen, ihren eigenen Gesetzen gehorchen und ihre eigene Intelligenz haben. Wie die Stille, wie die Schwerkraft, wie das Gleichgewicht.

(1) Nach: Shinji Shobogenzo, Buch 1, Fall 22 – Sammlung von 301 Koan von Dogen Zenji.

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FLIEßEN

Der Morgen ist grau,

Der Fluss bewegt sich lautlos. 

Regung der Stille.

Dem ewig fließenden Fluss wird nachgesagt, dass er ins Unendliche flüchtet. Es wird behauptet, dass die Reinheit dessen was unaufhörlich fließ, kalt, herzlos und vorübergehend sei. Als ob es in der Stille jeden Morgens es nicht etwas gäbe, das das Zivilisierte mit dem Wilden verbindet. Als ob in diesem selben Moment der Atem sich nicht im Einklang mit dem Morgengrauen befinden würde. Vielleicht wissen jene die solche Behauptungen aufstellen nicht, dass das was ständig fließt, ausgerechnet das ist, was allem was der Gedanke berührt seine Fülle verleiht. Sei es der frischen Brise im Frühling oder sei es dem Wind der Veränderung, den der Herbst mit sich bringt. Auf meiner Reise, die mich bis zu diesem Moment geführt hat, habe ich jetzt das Gefühl, dass ich präziser werden muss. Deshalb: Nein, um wahrhaft zu fließen ist es nicht notwendig jene Utopien aufzugeben, die uns die nötige Kraft geben um weiterzugehen, um voranzuschreiten, um weiterzufließen. Nichts davon. Genauso wenig wie es nicht notwendig ist zu wissen, was der nächste Frühling bringen wird, um die Pracht zu genießen, die die Unsicherheit jenen schenkt, die sich ihr bedingungslos anvertrauen. 

Die Reise des Lebens selbst ist ein ewiges Fließen. Von Ereignis zu Ereignis, von Ursachen zu Bedingungen und von neuen Bedingungen zu neuen Ursachen. Ein Fließen nicht nur für uns, sondern auch für die gesamte Natur. Und doch, obwohl alles ständig fließt, ist es manchmal so als würden wir alles dafür tun um den Fluss der das Leben ausmacht zum Stillstand zu bringen. Dies macht die Fragilität jener Intelligenz deutlich, die stolz verkündet verstanden zu haben was das ist was das Zivilisierte vom Wilden unterscheidet. Um zu klären, wo und wann der Fluss ins Stocken gerät, ist zunächst festzuhalten, dass es ein großer Fehler wäre, die Pflege des Fließens mit dem Ursprünglichen mit dem Verbleib in einem konfliktfreien Zustand zu verwechseln, da der ewige Fluss auf den natürlichen Zustand der Dinge hinweist. Mit anderen Worten: Die Stagnation beginnt bereits dort, wo sich der Geist des Konflikts, den er in sich selbst trägt, nicht bewusst ist. Sobald es Klarheit auch über diesen Punkt gibt, ist es andererseits möglich mit dem ewigen Strom weiter zu fließen. Hier und Jetzt können wir dann genau betrachten, welche Auswirkungen die Aufteilung der Realität in Gegensätze, auf das hat was unaufhörlich fließt. Es wird plötzlich nachvollziehbar, warum alles was das Bewusstsein berührt undurchsichtig, trüb und deshalb stagnierend erscheint. Absolut alles, sei es die Schönheit, der Fleiß, die Jugend, das Alter, die Intelligenz oder die Begabung. Aus dieser Perspektive der Fluidität heraus halte ich es deshalb für sehr dringend, uns erneut mit der Schuld und den Konflikten zu befassen, die im Namen des Guten geschehen. 

Ich glaube, dass wenn etwas die Macht hat das kollektive Verständnis der Schuld zu entwirren, dann ist es die Schuld in ihrer extremsten Ausprägung zu betrachten und zwar in ihrer Beziehung zu den Kriegen. Dass es ein offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Schuld und den Kriegen gibt, da die Schuld der Ursprung eines jeden Krieges ist und andererseits jeder Krieg immer mehr Schuld verursacht, ist wohl unbestritten. Ja, sogar unanfechtbar, weil das Verhältnis zwischen den Kriegen und der Schuld einer mathematischen Gleichung ähnlich ist, das heißt, präzise, transparent und unfehlbar, weil kontrollierbar, überprüfbar und logisch. So logisch und transparent, dass sie offenbar sogar dazu ausreicht um das Böse im Namen des Guten zu rechtfertigen und dies anscheinend ohne, dass dabei ein Widerspruch erkennbar wäre. So unfehlbar und vertrauenserweckend, dass sie offenbar dem angeblichen Opfer genügend Legitimierung verleiht um sich wie ein Henker zu verhalten. Als ob das Leben sich nur auf eine fragmentierte Sichtweise beschränken ließe. Um die Stagnation der Situation etwas entgegenzuwirken und damit wir uns gemeinsam der ursprünglichen Fluidität wieder zu nähern, möchte ich es deshalb in aller Deutlichkeit sagen: kolonialistische Praktiken zu wiederholen und kulturelle Konflikte zu schüren, bedeutet den Krieg zu fördern. Es bedeutet, die Existenz von allem was es gibt, fühlend oder nicht fühlend, auf das Karma der Schuld und dem Unglück des Krieges zu reduzieren. Und mehr noch: Wer diese Art von Konflikte fördert indem er seine Anhänger anheizt um Befehle auszuführen, tut dies nur, um die Kontrolle über das Geschehen zu behalten, nicht der Wahrhaftigkeit, nicht zum Wohle des Lebens willens. Ist es an dieser Stelle noch notwendig jemanden daran zu erinnern, dass angesichts der ursprünglichen Fluidität, welche Grundlage des Lebens auf diesem Planeten ist, die Kontrolle nichts weiter als eine flüchtige Illusion ist? Wie dem auch sei, wer diese Worte hört, soll später nicht sagen, er/sie hätte es nicht gewusst. Soll nicht sagen es sei ihr/ihm nicht bewusst gewesen, dass alles was geschieht, immer zumindest zwei Betrachtungsweisen zulässt. Zum einen, die Perspektive aus Sicht des Krieges und der Schuld und zum anderen die Perspektive aus der Sicht der Fluidität, welche gleichzeitig auch die Perspektive des Einklangs und des Gleichgewichts ist.  

Von der Fluidität all dessen was geschieht aus betrachtet, sind wir nicht nur das, was uns widerfahren ist und unsere Existenz muss sich nicht unbedingt auf unsere Konditionierungen beschränken. Denn in diesem selben Augenblick sind wir sowohl unsere relative Existenz, gleichzeitig aber auch der perfekteste Ausdruck des Gleichgewichts. Genauso wie wir gleichzeitig zum einen die ursprüngliche Natur sind, die in alle Richtungen strahlt und zum anderen die Folge unserer Fehler und Tugenden. Das wiederum bedeutet, dass es immer auch in unseren Händen liegt zu entscheiden, ob wir wahrhaftig einen Schritt nach vorn machen oder es lassen. Ein Schritt, der ein Schritt nach vorne ist, weil in Wirklichkeit alle, die ganze Welt, diesen Schritt mit uns machen. Spätestens an dieser Stelle zeigt der ewig fließende Fluss auch seine andere Seite. Diese klare und stille Oberfläche, das weder traurig noch fröhlich ist, weil nichts ihr fließen stört. Weder die Landschaft, noch die Brisen, weder die Farben, noch die Düfte. Ich habe die Hoffnung, dass wir lernen ihm zuzuhören. Dem ewig fließenden Fluss der alle Dinge miteinander verbindet.

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SEPTEMBER

Vor dem Tempeltor, 

Beginnt die lange Reise,

Wartend auf Einlass.

Für mich war der September schon immer einer Reise der besonderen Art gleich. Eine Reise in die Geschichte, die auch meine eigene Geschichte ist. Entlang der Erinnerung, die Wälder des Guten als auch des Bösen durchquerend bis zur Lichtung der Verantwortung, auch Reife genannt. Eine Reise die erklärt, warum der September für mich viel mehr darstellt als nach der Süße zu greifen, welche ein warmer Sonnenuntergang verspricht. Es geht über die vergebliche Suche in den Meeren der Traurigkeit oder in neue Düfte der Reinheit hinaus. Es geht um weit mehr als die Sehnsucht nach einer zweiten Jugend sodass wenn der neunte Monat des Jahres anbricht mehr als ein gewöhnliches Abenteuer, eine echte Pilgerreise für mich beginnt. Eine Reise nach innen, eine Reise zu mir selbst. Eine Reise bei der der Weg, das Ziel und gleichzeitig meine Bestimmung ist. 

In einem Raum in dem es kein Ziel und keinen bestimmten Ort an den wir gelangen können gibt, bleibt nichts anderes übrig als sich mit dem Strom zu bewegen, der alles in Bewegung hält. Es ist unausweichlich sich aus den Tiefen der Erinnerung, die sich in diesem Moment aktualisiert, gründlich zu hinterfragen. Aus dem innersten des Selbst kommen dann neue Fragen aber auch Antworten zum Vorschein. Fragen wie: Was ist die richtige Antwort, wenn alles uns herum um jeden Preis versucht zu verschleiern, dass die individuelle Freiheit vom Individuum und nicht von der religiöser Moral definiert wird? Ja, es sind Räume der Klarheit und damit der Reinheit, die der September für mich mit sich bringt. Räume, in denen aus diesen intensiven Fragen und tiefen Reflexionen über mich, über uns und unsere Umgebung so weit brodeln, bis ihre Dringlichkeit kein Aufschieben mehr zulässt und ich dringend nach Wörtern suchen muss, die diese zum Ausdruck bringt. Fragen an die Geschichte, Fragen an die Kultur, Fragen an die Menschlichkeit und die Gerechtigkeit wie zum Beispiel die Frage, ob diese Welle des Kulturkriegs, des Autoritarismus und der unrechtmäßigen kulturellen Aneignung, die wir derzeit in allen Bereichen der globalen Gesellschaft, die wir teilen, erleben, in Wirklichkeit nicht mehr und nicht weniger als eine neue Aggression kolonialer Art ist. Eine Aggression, die nicht so wirksam wäre, wenn wir sie nicht in uns selbst tragen würden und die ich an diesem Tag im September beim Namen nennen möchte: die Schuld. Jene Schuld, die nicht nur nach der Schuld sucht, sondern der auch nach Überwachung und vor allem nach Strafe verlangt. Sühne, und zwar nicht nur von uns, sondern gleichzeitig von all denen, die wir am meisten lieben, denn zu lieben bedeutet in der Welt der Schuld mitschuldig zu sein. Die Schuld, die uns eindringlich eintrichtert, dass wir uns für die begangenen Fehler verantwortlich zu fühlen haben und so rechtfertigt uns in der  Hoffnungslosigkeit und dem Leiden für immer gefangen zu halten. Von hier aus, von diesem Ort aus, von diesem Moment aus frage ich mich also: Was ist die richtige Antwort, wenn ich erkenne, dass wir in Wirklichkeit erneut mit einer kolonialistischen Aggression konfrontiert sind, die nicht zögert, Lügen und gar psychische Gewalt einzusetzen, um ihr wirksamstes Instrument, die Schuld, anzuwenden? Zu schweigen? Mich in falscher Toleranz zu üben?

Hier, an diesem Ort im September, weigere ich mich schuldig zu fühlen. Mehr noch, mir wird bewusst, dass mich schuldig zu fühlen, der Weigerung gleich käme, gründlich über mich selbst und meine Umgebung nachzudenken. Es würde bedeuten, eine Unrechtherrschaft zu akzeptieren, den Autoritarismus zu legitimieren, der die Privilegien erst möglich macht und damit die Lüge als die Lebenstreibende Energie zu akzeptieren. Ich frage mich weiter, hier an diesem Ort und in diesem Moment, ob sich schuldig zu fühlen nicht etwa bedeutet die Ignoranz, die Wut, die Angst und Leid als Kräfte zu akzeptieren, die das Leben regulieren. Weil alle Ursachen auch eine Wirkung haben, neue Fragen stellen sich mir dann. Fragen wie: Was könnte die Alternative zur Kultur der Schuld sein? Und die Antworten finde ich in einer Sichtweise, die die Realität nicht in Konzepte zerlegt. In einer Sichtweise, in der Fehler die Möglichkeit mit sich bringen von selbst wieder aufzustehen um zu korrigieren und weiter zu lernen, mit dem Leben zu fließen, mit dem Strom der Ursachen und ihren jeweiligen Bedingungen. 

Im September ist alles anders. Auf dieser Reise nach innen sind die Räume, welche die Erinnerung eröffnet bedeutungsvoller, intensiver. Sie mahnen mich wach zu sein und Vorsicht im Umgang mit dysfunktionalen Beziehungen walten zu lassen, damit es weiterhin möglich ist jenen Frieden zu pflegen, der eigentlich allgegenwärtig ist. Um den Frieden zu kultivieren, der aus dem ständigen Kommen und Gehen aller Dinge entsteht. Mit der Ankunft von September komme ich nicht umhin, gründlich zu beobachten, was mich wieder hierher gebracht hat um aus dieser Reflexion heraus der Erinnerung einen neuen Sinn zu geben. So lässt sich erklären, dass der September für mich nicht unbedingt dem Ende eines endlosen Wartens gleichkommt. Es bedeutet nicht per se, das Göttliche in der Traurigkeit zu suchen und zu finden, sondern vielmehr die Rückkehr zur Einheit, die aus einer wachen Erinnerung entsteht. Ein Raum, in dem Erinnerung verschiedene Namen haben kann: Stille, Klärung oder einfach nur bewusstes Sein. 

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VERÄNDERUNG

Bis zum Horizont,

Die dichte Wolkendecke.

Rückzug des Meeres.

So wie es Dinge gibt, die sich von einem Moment zum anderen ständig ändern, gibt es auch Dinge, die sich nie ändern. Die Farbe des Himmels ändert sich ununterbrochen, der Wind ändert seine Richtung mit ihm ändern auch die Wolken ihre Position. Die Temperatur des Wassers ändert sich ständig und mit ihr seine Transparenz, sein Geschmack, seine Konsistenz. Und so wie es Dinge gibt, die sich ständig ändern, gibt es auch Dinge, die sich nie ändern. Wie die Erde, die sich weiterhin um die Sonne dreht und sich gleichzeitig um ihre eigene Achse dreht. Dinge wie unsere Unsicherheiten, unsere Unwissenheit, unsere Gier und unsere Wut. Ebenso wie jene Dinge, die für gewöhnlich unsichtbar sind. Wie das Lächeln des Kindes, das wir einmal waren. Wie die Träume, die wir einst ersehnt haben und die nun so verborgen sind wie die Wintersonne hinter einer Wolkendecke. Oder wie die sternenklaren Nächte der klaren Sommertage. Oder auch die Spuren im Sand all derer, die bereits verschwunden sind.

Was ist Wahrheit? Seit jeher gibt es Menschen, die behaupten, dass die Wahrheit nur im Subjektiven existiert, während andere immer behauptet haben, dass die Wahrheit nur im Materiellen und Objektiven existieren würde. Heute ist das anders, denn eine dritte Gruppe ist hinzugekommen. Die Gruppe derer, die nach der Harmonisierung der These mit ihrer jeweiligen Antithese zu dem Schluss gekommen sind, dass die Synthese zwischen beiden darin besteht, dass es die Wahrheit nicht gibt. Zufälligerweise sind es dieselben, die von „Ethik” sprechen, aber in Wirklichkeit Kontrolle wollen. Diejenigen, die von „Meinungsfreiheit” sprechen, aber in Wirklichkeit Autorität anstreben. Diejenigen, die „Dharma” sagen, aber in Wirklichkeit Glauben und Unterwerfung meinen. Ich frage mich, ob es Parallelen zwischen dieser Argumentation und der Anwendung bewusster Lügen gibt, um ihre Ziele in Bezug auf Propaganda und Macht zu erreichen. Ich komme zu dem Schluss, dass die Methoden trotz inhaltlicher Unterschiede ähnlich sind, und frage mich, warum das so ist. Und tatsächlich ist es ein Grund zur Empörung. Es ist, als würde vor unseren Augen ein Diebstahl stattfinden und niemand würde etwas dazu sagen: Sie nennen sich Zen Lehrer und geben sich als seine Vertreter ab, sie lehnen aber den Buddhismus als Religion ab, genauso wie seine Gebote. Sie erheben ihre Stimme für den Feminismus, aber nur, um ihn gegen Minderheiten und Ausländer einzusetzen. Sie nennen sich überkonfessionell zögern aber nicht sich selbst zu legitimieren um für andere Traditionen zu sprechen. Und all dies nur mit dem Ziel die Tradition zu spalten, die Angst zu institutionalisieren und die Privilegien zu wahren. Ob das auch die Religionsfreiheit ist, welche im Grundgesetz verankert wurde?

Alles verändert sich, das ist eine Tatsache, die wir akzeptieren müssen, einfach weil alles immer alles beeinflusst. Und weil alles immer alles beeinflusst, steht immer alles auf dem Spiel, sage ich mir manchmal. Wir müssen die Leere mit Inhalt füllen, denn sonst tun es die KI-Maschinen für uns. Wir müssen uns verteidigen. Spätestens hier angekommen, frage ich mich erneut, was ein Traum und was Realität ist. Was ist die Wahrheit? Ich beobachte erneut alles, was sich verändert, und alles, was sich nie verändert, um wieder zu den Worten von Buddha Shakyamuni zurückzufinden: „Alle Wesen besitzen vollständig und ganz die Buddha Natur: Der Tathagata ist immer gegenwärtig, ohne sich zu verändern.“ Ausgehend von diesen Worten frage ich mich erneut: Was ist die Wahrheit? Und die Antwort, die sich ergibt, lautet: Hier und Jetzt, in diesem Augenblick. In diesem Moment, in dem wir leben und handeln, finden sich die relative und die absolute Wahrheit, um mit dem tiefen Gleichgewicht zu verschmelzen das allen Dingen innewohnt, das ist die Wahrheit.

So wie es Dinge gibt, die sich von einem Moment zum anderen ständig ändern, gibt es auch Dinge, die sich nie ändern, und auf diese Tatsache können wir unser ganzes Vertrauen setzen. Ja, alles ändert sich wie das fließende Wasser eines Baches. Wie die Frische einer Brise, die zwischen dem Ufer und dem Horizont alles berührt und sich dennoch an nichts festhält. Und so wie es Dinge gibt, die sich ändern, gibt es auch Dinge, die sich nie ändern. Wie die Wahrheit, die hier in diesem Moment zum Ausdruck kommt. Wie das Bedürfnis zu essen, zu trinken, zu schlafen und mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Dinge wie unsere Angst vor Veränderungen, vor der Geburt, vor dem Erwachsenwerden, vor dem Lieben und Geliebtwerden und schließlich vor dem Abschiednehmen. Dinge wie die Vergänglichkeit dieses Augenblicks, Dinge wie das Hier und Jetzt selbst. 

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SPONTANITÄT

Über den Tempel,

Durchbrechen die Finsternis,

Vielfache Farben.

Es wird behauptet, dass nur das was bescheiden ist ewige Schönheit besitzt. Wie die kalte und reine Nacht.  Wie ein Stern, der allein in einer sternenklaren Nacht weint. Oder wie die reine Luft, die weht und in ihrer Bewegung die Erde begleitet, wohin sie auch geht. Dennoch frage ich mich, was wäre dann aus dem unsicheren Lächeln? Was wäre dann aus der Schlaflosigkeit in Folge einer schönenIllusion, die nicht aufgegeben werden will? Oder was wäre dann aus dem Lachen oder gar dem Weinen, weil etwas Unvorhergesehenes plötzlich unsere Pläne verändert hat? Wären all diese Dinge dann plötzlich nicht mehr schön, weil alles einem bestimmten Ideal zu entsprächen hätte? Ja, es ist etwas Unglaubliches in dem, was aus der natürlichen Verbindung mit allen Dingen plötzlich erscheint. Es ist die Überraschung des Umbruches, noch bevor die Erfahrung in süß oder sauer eingeordnet werden kann. Es ist die Rache des Unterbewusstseins und des Instinktes über das Bewusste und Gewusste für ihre Kontrolle und erdrückende Vernunft. Es ist der Zusammenbruch des Statischen, der dem Neuen, Frischen und Dynamischen weicht. Es ist das, was sich ereignet, wenn die Erfahrungen und das Wissen der Vergangenheit aufgegeben werden, und das Neue und Spontane endlich erscheint. 

Wir leben in einer Welt des Leidens, und ich frage mich, ob das wirklich notwendig ist. Ist es wirklich unabdingbar, Mauern der Autorität und Strategien der Abgrenzung zu errichten, um zu versuchen, das Unzähmbare zu zähmen? Zu diesem Zweck wurde vor langer Zeit der Kolonialismus erfunden, diese Politik der Unterdrückung und systematischen Abwertung anderer Kulturen, um unsere eigene Herrschaft durchzusetzen. Um die kolonisierten Kulturen zu assimilieren haben wir falsche Vorwände erfunden. Wir machten sie lächerlich, wir zwangen sie, wir verletzen sie, wir verfolgen sie, bis das Leben in der eigenen Kultur schwere Nachteile und ernste Gefahren mit sich brachte. Kommt Ihnen das bekannt vor? Ja? Nein? Ich bin der Überzeugung, dass wir dieses Trauma noch nicht überwunden haben. Sie nicht auch? Und weiter bin ich auch davon überzeugt, dass die Mehrheit der Menschen, die sich nicht äußern, durch ihr Schweigen das Unrecht erst recht möglich machen, nicht wahr? Andererseits wird die Meditation, die nichts anderes als eine Rückkehr zum natürlichen Zustand der Dinge, zum Gleichgewicht und zum inneren Frieden ist aber nicht akzeptiert – ist das nicht seltsam? 

Shakyamuni Buddha wird nachgesagt einen Weg gefunden haben, das Leiden zu beenden. Es heißt auch, dass die Weitergabe seiner Lehren mehrere Jahrhunderte lang unterbrochen war, so dass es keine wirklichen historischen Aufzeichnungen gibt, die bestätigen, dass das, was die buddhistischen Schulen lehren, wirklich auf Gautama zurückgeführt werden kann. Aber es gibt ein sehr wichtiges Detail in all dem und das ist, dass Shakyamuni nicht wirklich etwas Neues entdeckte. Buddha bedeutet nämlich der Erwachte, weil er zu einer bereits existierenden Realität erwachte sodass er lediglich diese Art des Erwachens zur Wirklichkeit an die kommenden Generationen weiterreichte. Eine Realität, die sich, wie wir heute wissen, in alle Richtungen von Zeit und Raum ausdehnt und die in allen Wesen, sowohl fühlend als auch nicht fühlend existiert. Gerade deshalb wäre es falsch, Shakyamuni mit einem bescheidenen, aber großzügigen König zu vergleichen, der seine Schätze teilt, denn wo alles allen gehört, gibt es nichts, was gegeben werden könnte. Ein Punkt, der zeigt, wie wichtig es ist, den Geist zu kennen, der nicht nach Belohnung strebt. Jener Geist, der jeden Vergleich, Unterscheidung und Wettbewerb transzendiert und der sich als ein Raum offenbart, in dem niemandem etwas gehört und alles allem gehört, so dass alles, was existiert, genau und bedingungslos frei ist.

In der Spontaneität wird das Bewusstsein reflektiert, aber nicht unbedingt die Identifikation. Das Spontane muss weder rebellisch sein, wie manche behaupten, noch konformistisch sich geben, wie andere bekräftigen. Das Spontane kann auch augenblicklich sein, in Harmonie und Synchronizität mit seiner Umgebung. Wie ein flüchtiger Tropfen, der nach dem Regen fällt, wie der Geruch, der so schnell vergeht wie der Frühling, wie der sanfte Wind eines jeden Morgens. Ja, es liegt etwas Unglaubliches in dem, was sich spontan und natürlich aus der Verbindung mit allen Dingen ergibt. Es ist der eigentliche Beweis dafür, dass hinter dem, was wir für wahr halten, immer auch eine eine tiefere Wahrheit steckt, und die betrifft immer auch uns selbst. Das Spontane enthält in sich das Potential, dass die Auflösung des schädlichen Karma sich tatsächlich manifestiert.

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DER KÖRPER

Verbeugung, Hoffnung.

Der Körper ohne Grenzen,

Ein Insichgehen.

Der Körper kennt keine Grenzen. Seine Sprache kennt kein Geschlecht, keine politische Korrektheit, sie folgt keinem Bekenntnis, sie bedarf keiner Erklärung. Dennoch ist sie klarer als jedes Wort in jeder Muttersprache und schneller und unmittelbarer als jeder Gedanke. Wieso hat der Körper so viel Freiheit? Die Antwort liegt auf der Hand und sie steht im Gesicht geschrieben: keine Konzepte, keine Moral, kein Gejammer, keine Lügen. 

Die Sprache des Körpers ist verbindend. Die Wirkung, die unsere Gedanken auf den Gesichtsausdruck unddie Mimik haben und wie wir auf bestimmte Gefühle reagieren, ist für die meisten Menschen nicht so verschieden. Wenn wir traurig sind, zeigen unsere Mundwinkeln nach unten, wenn wir glücklich sind, zeigen unsere Mundwinkeln nach oben, und das gilt überall auf der Welt, in jedem Land, unabhängig von Geschlecht, Alter, Glauben oder ethnischer Herkunft. Wenn wir uns freuen oder von etwas überrascht sind, leuchten unsere Augen, unser Gesicht erhellt sich und wir lächeln – Reaktionen, die alle Grenzen aufheben. Und die Analyse der Gesichts- oder Körpersprache kann sogar noch weiter gehen, denn wenn wir die Kongruenz zwischen Körpersprache und gesprochener Sprache bei der Kommunikation analysieren, können wir oft die Widersprüche bereits in ihrer Entstehung erkennen. Widersprüche, die darauf hinweisen, dass das, was wir bewusst oder unbewusst zu sagen versuchen, nicht dem entspricht, was wir wirklich fühlen, empfinden oder denken. 

Bei seiner Rückkehr aus China nach Japan wurde Meister Dogen gefragt, was er aus China mitgebracht habe. Was wäre die aus dieser Reise gewonnene Lehre. Daraufhin antwortete Dogen: „Ich habe nicht viele Klöster besucht. In der Nachfolge von Meister Nyojo war ich nur in der Lage zu sehen, dass die Augen horizontal und die Nase vertikal sind. Jetzt kann mich niemand mehr täuschen. Ich kehre mit leeren Händen zurück“. 

Was bedeutet das konkret? Vielleicht könnte man diese Worte wie folgt interpretieren: Indem wir immer wieder zum ursprünglichen Zustand des Körper-Geistes zurückkehren, indem wir mit der Aufmerksamkeit immer wieder zu unserer Körperhaltung während Zazen zurückkehren, indem wir unser Bewusstsein immer wieder auf unser Atem lenken, ist die Einheit des Körpers und des Geistes direkt verwirklicht. Die Einheit, die uns zeigt, dass alles an seinem Platz ist, dass alles gut ist so wie es ist, und dass gleichzeitig alles der ständigen Transformation unterworfen ist. Es ist ein Angekommen sein, dass der Buddha mit den Wörtern ausgedrückt hat: „Alle Dharmas werden weder geboren noch vergehen“.

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DER VOLLMOND

Unangekündigt,

Über den Wald, am hellichten Tag.

Der Mond ist fast voll.

Nacht für Nacht, im Angesicht der Dunkelheit und der schlafenden Erde scheint er allein zu sein. In der Ungewissheit, verlassen, nackt. Anscheinend hat er alles verloren, denn nichts begleitet ihn. Doch gleichzeitig scheint er unbekümmert zu sein, als sei es ihm gleichgültig, als sei es ihm egal. Es ist der Mond. Es ist der Vollmond. Rund wie eine unvollkommene Melone, blass wie eine vorbeischwebende Wolke. Im Bewusstsein, in einer ewigen Reise ohne Anfang und ohne Ende gefangen zu sein, während die Wolken in einem ewigen Wissen und Nichtwissen vorbeiziehen, bleibt er ganz ruhig und seltsamerweise  machen die Wolken seine unvollkommene Gestalt sogar noch runder als sie schon ist. Sein Atem ist zu spüren, der Schlag seines Herzes, der gleichzeitig der Herzschlag des ganzen Universums ist, ist deutlich zu hören, überall. 

Eines Tages fragte ein Mönch Meister Tosu Daido aus dem Bezirk Jo: 

– Was ist, wenn der Mond noch nicht rund ist?

Meister Tosu antwortete: 

– Der Mond verschluckt zwei oder drei Monde.

Der Mönch fragte erneut:

– Und was geschieht, wenn der Mond rund geworden ist?

Meister Tosu antwortete:

– Dann spuckt er sieben oder acht Monde aus (1).

Wenn der Mond nur ein imaginärer Mond ist, sehen wir den Mond als einen einsamen Himmelskörper in der Nacht. Seine Anwesenheit macht uns nostalgisch, wir verspüren Wehmut angesichts dessen was bereits vergangen ist und Trauer gegenüber jenen die nicht mehr da sind. Beim echtem Mond hingegen, wenn wir ihn sehen ist der Mond noch immer der selbe Mond, jedoch er ist nie allein. So ist zu verstehen, warum der Vollmond sich nicht unbedingt durch die Perfektion seiner Rundung auszeichnet, sondern eher durch seine Präsenz, denn diese Präsenz ist die Präsenz des gesamten Universums, die sich jetzt gerade durch den Mond zeigt. In dieser Präsenz wird die ständige Bewegung in sich selbst zu einem heiligen Ort, und die Wolken tun nichts anderes, als den Körper des Mondes nach Möglichkeit noch mehr abzurunden, wenn das überhaupt noch geht. Ja, es ist wahr, dass das menschliche Denken die Bedeutung des wirklichen Mondes nicht rauben kann. Dies aber nur, weil der Mond sich nicht im Takt einer chronischen Regung bewegt, die nur Vorwärts führt. Nur weil er keine riesige Maschine ist, die sich unkontrolliert in Richtung einer unvorhersehbaren Zukunft bewegt. Darum sind seine Form, die Rundheit seines Körpers,  die Blässe seines Angesichts sowie die Ziellosigkeit seiner Reise ebenfalls von Bedeutung, von sehr großer Bedeutung. 

Wenn der Mond bei Tageslicht vorbeizieht, kann er wegen der Grellheit des Lichts und der fehlenden Kontraste oder weil die Wolken den Himmel verdecken, leicht unbemerkt bleiben. Unbemerkt wie das Gewinnstreben, welches gänzlich die Sinne verblendet. Oder wie der kulturelle Protektionismus, der in das Schweigen der Mehrheit seine Legitimierung findet. Und doch, trotzdem, wenn wir den Vollmond durch den Körper sehen, predigt er immer, auch am Tag und verkündet: ohne die innere Einsicht gibt es keinen wirklichen Fortschritt im Außen. Somit ermahnt uns der Mond wieder: In einer Praxis, in der das Ziel und der Anfang ungetrennt sind, in der der Tag nicht von der Nacht nicht entzweit und in der das Innere die andere Seite vom Äußeren ist, sind die Formen, die Form des Mondes, die ganze Nacht und der ganze Tag, sowohl das Ende als auch der Anfang, sowohl das Innere als auch das Äußere. Mit anderen Worten, die Rundung des Mondes ist die Gesamtheit der Formen des Universums gleichzeitig. 

Der Mönch möchte wissen, was der Mond ist, bevor und nachdem er rund geworden ist. Darauf gibt ihm der Meister zu verstehen, dass das Geheimnis des Vollmondes in seiner Bewegung liegt. In der Bewegung des Mondes gibt es kein Vorher und Nachher, keinen Osten und Westen, keinen Tag und keine Nacht, keinen Anfang und kein Ende. Die Bewegung des Mondes ist eigentlich reine Gegenwart. Auf dieser Weise bahnt sich der Vollmond seinen Weg durch die Dunkelheit. Auf diese Weise spuckt er, wenn er wirklich rund ist, sieben oder acht neue Monde aus.

(1) Shinji Shobogenzo – Dogen Zenjis Sammlung von 301 Koan.  Fall 13, Buch 1

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VERBUNDENHEIT

Einander folgend.

Dunkelheit und Helligkeit,

Laternen am Weg.

Ja, das bewusste Atmen ist etwas sehr wertvolles, etwas, das uns mit uns selbst verbindet. Wir können es jederzeit erfahren, nicht nur, wenn wir von Norden nach Süden, von Osten nach Westen schauen und die Wahrheit immer wieder in tausend Stücke zerfallen sehen. Doch gerade in diesem Sprung von einem Ufer zum anderen, vom Schein zum Wahren, von dem was wir zu kennen glauben zum Unbekannten können wir erkennen, dass die Wiederherstellung der Verbindung mit unserem Atem nicht nur die Wiederherstellung des Kontakts mit uns selbst, sondern auch mit allem um uns herum bedeutet. Wir brauchen uns nur zu fragen, an welchem Punkt wir uns verirrt haben, wo und wann, in der Unterscheidung, im Erfolg, in der Belohnung? Und schon können wir erkennen, dass, wenn wir als Menschheit jetzt Gefahr laufen das natürliche Gleichgewicht des Planeten zu stören, dies nicht rein zufällig geschieht, sondern aufgrund einer tiefgreifenden Entfremdung von uns selbst. Wir fragen uns also dringend: Werden wir es verstehen, vom Ufer der Gegenwart zum Ufer der Zukunft zu springen? Werden wir den Unterschied zwischen Freiheit und Zügellosigkeit zu erkennen wissen, um nicht in den Fehler des Autoritarismus zu verfallen? Werden wir den wahren Wert des Gleichgewichts je erfahren?

Bewusstes Atmen kann eine große Hilfe sein auf dem Weg durch das Unbekannte, aber was nützt es, wenn das Atmen nicht von der richtigen Handlung begleitet wird? Weisheit ist kein Gut, dass man erwerben und besitzen kann, sondern ein ewiges Unterfangen. Wie das Gleichgewicht. Wie viele Menschen betrachten heute die Reinheit nicht als einen Akt der Naivität und der Unschuld, ohne zu erkennen, dass sie selbst auf eine totalitäre Dystopie zusteuern? Oder was bedeutet es sonst, die eigene Identität auf Kosten von Feindbildern aufzubauen? Oder was bedeutet es sonst, ein Bild der Einheit zu fördern, welches das Andersartige nicht respektiert? Fragen, die einmal mehr verdeutlichen, dass wir uns des wahren Werts des Gleichgewichts für die Gesellschaft in der wir leben nicht bewusst sind. Nicht wirklich.

Mit anderen Worten: Sich mit sich selbst zu verbinden, bedeutet auch, sich mit dem unbewussten Leiden in uns zu verbinden. Was meine ich damit konkret? Dass sich mit sich selbst zu verbinden auch bedeutet zu verstehen, dass nicht das Ergebnis dessen was wir tun das Wichtigste ist, sondern das, was wir tatsächlich auch tun. Das bedeutet auch, dass es sinnlos ist, eine Mauer aus Wissen um uns herum zu errichten, denn alles Wissen, das am Ende nicht aufgegeben wird, bindet uns nicht nur an die Vergangenheit, sondern hindert uns auch daran klar zu erkennen, was dieser Moment von uns tatsächlich erfordert. Mit anderen Worten: die Weisheit zeigt sich nur wenn die Spontanität auch echt ist.

Es ist wahr, in einem brennenden Herzen regnet und regnet es ständig. Es regnet Meere von Hoffnung ohne Hoffnung wie in einer ausufernden Illusion. Ohne Verbindung mit uns selbst erkennen wir nicht, dass wir uns selbst schaden, wenn wir unsere Umgebung nicht berücksichtigen. Und diese Verbindung ist in allen Richtungen offensichtlich, denn sie ist wie das Gleichgewicht, das sowohl im Herbst als auch im Frühling, in den Verlierern und den Erfolgreichen, in den Kleinen und den Großen, in der Sonne und der Erde existiert. Was braucht es also, um sich zu verbinden? Einfach in diesem Moment präsent zu sein, ohne sich in Unterscheidungen zu verlieren. In dem Moment, bevor die Unterscheidung sich einstellt, existiert das Gleichgewicht in allem gleichzeitig, denn dort, wo alles kein eigenes Selbst hat, ist alles mit allem ganz eng verbunden. 

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DIE OBERFLÄCHE

Die frische der Luft,

Das Meer und seine Wellen,

Auf der Oberfläche.

Auf der Oberfläche vertieft jede Welle den blauen Schimmer des Meeres. Jede von ihnen, ob groß oder klein, von welcher Richtung sie auch kommen, sind sie im Grunde eine Folge der Bewegung des Windes und seinen Formen. Auf der Wasseroberfläche sehe ich einen Obdachlosen mit roten Augen und dunkler Haut, der seine Hände ausstreckt. Ich sehe ein hübsches Gesicht, das mich aus einem goldenen Käfig heraus anlächelt. Es ist dieselbe Oberfläche, auf der sich die vereinfachende Rhetorik unaufhörlich fortbewegt. Mit riesigen Schritten, mit der gleichen Beständigkeit wie die Dampfwalze des Fortschritts, die mit neuen Werkzeugen, aber immer mit der gleichen Eile jede angeblich wilde Landschaft für sich beansprucht, weil sie angeblich neu ist und deswegen noch ohne Besitzer. So wie die Worte Demokratie, Gerechtigkeit, Partizipation, Gleichheit und Transparenz, wenn sie nicht von den entsprechenden Taten begleitet werden. An der Oberfläche ist alles ein beharrliches Kontinuum, nicht nur die Wahrheit. Auch die Lügen, auch die Privilegien.

In der Tiefe wird das Meer nicht durch den Tanz der Wellen gestört, den der Wind hervorruft. Es wird nicht durch den provozierenden Widerstand der Felsen gestört. In der Tiefe herrscht absolute Stille. Eine Stille, die so klar und so vollständig ist, dass sie begreifen lässt, dass das Ich nicht etwas festes sein kann, zu viele Verbindungen in allen Richtungen in diesem Moment, wenn ich gerade sehe, höre, fühle. Eine Stille, die so absolut ist, dass sie in der Tiefe glasklar das wahrnimmt, was sich an der Oberfläche gerade zuträgt. Eine so kategorische Stille, dass sie sogar spüren lässt, dass das, was sich da Draußen abspielt in Wirklichkeit von dem abhängt, was in der Tiefe geschieht. In der Tiefe werden Entfernungen nämlich verwischt, die Unterschiede zwischen Norden und Süden, zwischen Osten und Westen, verschwinden, und die Zeit… die Zeit ist dann nur diese eine gegenwärtige Sekunde.

Das Meer ist zu jeder Zeit sowohl tief als auch oberflächlich, sowohl starr als auch fließend. Doch in dieser tiefen allumfassenden Oberfläche gibt es immer etwas, das sich widersetzt. Etwas, das sich weigert, das zu akzeptieren, was in Wirklichkeit unbestreitbar ist. Etwas, das sich wehrt wie die Dogmen, die den ständigen Wandel genauso beständig leugnen. Es ist nicht das Plastik. Es sind nicht die Korallen. Vielmehr ist es das ständige Vergleichen. Ist es etwa nicht dieser woanders hin gerichtete Blick, der zwischen der Tiefe und der Oberfläche, zwischen Unten und Oben, zwischen Licht und Schatten, zwischen sich selbst und dem anderen unterscheidet? Ich, aus meiner Sicht würde sagen ja, das Vergleichen ist sicherlich ein Hindernis, aber jenseits des Vergleichs, als Hintergrund im Ozean des Geistes, ist da eigentlich das Normale. „Normal“ ist ein Begriff, der oft ignoriert wird, weil er sich flexibel an jedes Lied anpasst und sich überall unbemerkt einschleicht. Wie Wasser für das Meeresleben oder für uns wie Luft, die wir einatmen. So offensichtlich wie einfach, so unbemerkt wie allgegenwärtig. Doch wie viel Geschichte, wie viel Vergangenheit, wie viel Absicht und damit wie viel konditionierte Zukunft trägt das „Normale“ in seinem Leib zur Schau? Fragen wir doch mal die Verdrängten, die Kolonisierten, die Exilierten, die Unglücklichen oder auch einfach nur die Besiegten. Dabei, das „Normale“ sei die Frucht der Liebe, behaupten manche, der Klebstoff der alles zusammenhält, die Bindung. Neulich habe ich in einer renommierten Zeitung gelesen, dass die bedingungslose Liebe das Gegenteil von Paarliebe wäre. Ja, und das ist kein Scherz. Eine Tragödie, dachte ich. Wenn so etwas vordergründig geäußert wird, spiegelt es sofort auch die Unkenntnis darüber wieder, was Liebe überhaupt ist, was sich also in der Tiefe befindet. Aber wenn jemand so einen Unsinn schreibt und wir ihn unhinterfragt akzeptieren, was sagt das dann über den Zustand der Gesellschaft aus, in der wir leben? Vor allem, denke ich wie sehr wir uns von uns selbst entfernt haben. Wie weit wir uns von unserer wahren Natur entfernt haben. Sonst würden wir den Mund aufmachen. Wir würden sonst das Bewusstsein zum Ausdruck bringen, dass jemanden zu lieben dasselbe ist, wie das ganze Universum zu umarmen.

Im Meer des Bewusstseins hat alles seine eigenen Regeln. Eine dieser Regeln ist, dass alles immer so geschieht, wie es die Ursachen vorherbestimmen. Eine andere ist, dass es nicht nur nicht notwendig ist, in die Tiefe zu tauchen, um die Wahrheit zu finden, denn diese ist schon in der Oberfläche zu erkennen. Auf diesem Meer zu segeln bedeutet dann, sich mit den Wellen und dem Wind zu bewegen, ohne irgendwo stecken zu bleiben. Es bedeutet, mit der Kunst des Empfangens zu segeln und aus dem Empfangen heraus zu geben. Es bedeutet, passiv aktiv zu sein ohne Anstrengung sich anzustrengen. Es ist der Weg eines Stroms, dass auf das Ufer zusteuert, immer im Bewusstsein, dass jede Welle gleichzeitig das ganze Meer ist, sowohl in der Tiefe als auch an der Oberfläche.

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ERWARTUNGEN

Im Wald spazierend,

Ein Schritt nach dem anderen,

Im dichten Nebel.

Entlang des fantastischen Pfades der Erinnerung betrete ich ein Wald der umhüllt ist von Nebel. Ein Wald voll von Memoiren und zukünftiger Träume, ein Wald, in dem die Dinge, je weiter weg sie sind, desto näher scheinen sie zu kommen. Ich frage mich, wohin dieser Weg wohl führen mag? Und es ist, als würde ich mich fragen: Wohin führt der Winter? Manchmal kann die Freude am Weitergehen, ohne Farben, ohne Lachen, ohne Melodien, traurig sein. Aber noch trauriger ist es, weiterzugehen, nur um die Erwartungen der anderen zu erfüllen, ohne selbst zu entdecken, was auch sie eines Tages gesucht haben. Nein, in Wirklichkeit sind die Alten nie still. Die Alten sind der Wald, sie sind die Bäume, sie sind der Nebel, sie sind der Pfad.

Wann werden wir aufhören und uns selbst zu verkaufen, frage ich mich, wann werden wir aufhören zu versuchen mit allen Mitteln die Erwartungen erfüllen zu wollen, die wir gewährt haben, dass sie unserer Persönlichkeit aufgebürdet werden. Gut drauf müssen wir sein, gute Energie ausstrahlen, freundlich, liebevoll, die Erwartungen sind stets zu erfüllen… das ist es also was wir Selbstvertrauen nennen? Das immer davon abhängig sein was andere denken? Und wenn das so ist, wenn das Selbstbewusstsein völlig davon abhängt, was andere sagen, ist es dann nicht genau das was uns manipulierbar macht? Es ist, als ob der Wert eines Menschen von der Nachfrage abhängt, wer die Erwartungen erfüllt, findet Anerkennung und die Gemeinschaft, und wer die Anforderungen nicht erfüllt, leidet unter Ablehnung, Isolation, Einsamkeit und Ausgrenzung. So wird die Einsamkeit zur Strafe. Einer Strafe, der wir alle latent ausgesetzt sind, wenn wir bedenken, dass jede Form von Werbung konstant suggeriert, dass die Erwartungen zu erfüllen sind, und damit nicht nur den kritischen Blick, sondern auch die angeborene Freiheit jedes Einzelnen direkt angreift. Wen wundert es so noch, dass wir uns so leicht in Phantasien verlieren?

Ich schreite weiter durch den Nebel, aber jetzt aufmerksamer für alles, was geschieht. Ohne einer bestimmten Karte zu folgen, ohne Reiseführer, ohne Rezepte, ohne Rückgriff auf eine äußere Anerkennung, ohne Vergleiche. Wenn es nichts gibt, worauf man warten muss, ist jeder Schritt ein neuer Schritt und jeder Moment ein neuer Augenblick. Eine ständige Improvisation, bei der nichts vorhersehbar ist, und mir ist dadurch klar, dass der Vergleich des menschlichen Geistes mit einer statistischen Maschine auf der Suche nach der plausibelsten Antwort der Manipulation die Oberhand zu lassen bedeutet. Im Grunde genau jene Manipulation, die uns von klein auf eingeimpft hat, dass wir die Erwartungen zu erfüllen haben, und die uns damit stets auf das Bild eines unsicheren, deplatzierten und isolierten Kindes reduziert, wenn wir eben diese Erwartungen nicht erfüllen. An diesem Punkt frage ich mich, ob Diskriminierung nichts anderes sei als ein Überbleibsel des Kolonialismus, und da ich merke, dass ich wieder nach Fehlern und Schuldzuweisungen suche, richte ich den Blick der Aufmerksamkeit nach innen. Nein, es ist der eigene Geist, der ständig diskriminiert, der endlos nach außen gerichtet ist, ohne sich je bewusst zu sein, woher die eigenen Gefühle kommen, woher die Emotionen, die Geschmäcker, die Wahrnehmungen stammen.

Auf diesem Pfad der Erinnerung wandernd komme ich schließlich an einem klaren Punkt an. Zwischen vergangenen Erinnerungen und zukünftigen Träumen finde ich endlich eine Lichtung. Nein, dass wir uns ja nicht irren, nur diejenigen, die einen Fehler nicht korrigieren, machen einen Fehler. Nur wer nach einem Sturz auf dem Boden liegen bleibt und nicht wieder aufsteht, lernt nicht zu laufen. Mit anderen Worten, Fehler in Wirklichkeit sind eine Quelle der Weisheit. Was bedeutet es, auf dem Boden zu bleiben? Was bedeutet es, aufzustehen? Bedeutet aufzustehen auch weiterzugehen? Wohin soll man gehen, wenn alles, was uns umgibt, ein tiefer und nebeliger Wald ist? Ich weiß es nicht genau. Was ich spüre ist, dass dort, wo nichts vorhersehbar ist, wo es nichts zu erwarten gibt, wo es keine Vergleiche gibt, wo alles, was zu erwarten ist, nur Ungewissheit ist, Gefühle von Überlegenheit oder Unterlegenheit sich nicht festsetzen können, das Innere und das Äußere eins werden und so das Atmen zu einem bewussten Akt wird. Ein Akt, der uns auf unsere Umgebung einstimmt. Nein, in Wirklichkeit sind die Alten nie still. Die Alten sind eigentlich der Wald selbst, sie sind die Bäume, sie sind der Nebel, sie sind der Weg.

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